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Bei Vitamin D denken die meisten Menschen an ihre Knochengesundheit. Und tatsächlich ist Vitamin D wichtig für den Kalziumhaushalt deines Körpers und die Förderung der Härte unserer Knochen. Neue Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass ein Vitamin-D-Mangel nicht nur zu Osteoporose, sondern auch zu Verdauungsproblemen wie Verstopfung führen kann. Ein besseres Verständnis der Zusammenhänge von Sonne, Vitamin D und deiner Verdauung kann dir daher helfen, möglichen Problemen ganz einfach vorzubeugen.
Vitamin D - ein Sonderling unter den Vitaminen
Anders als andere Vitamine kann unser Körper Vitamin D in ausreichender Menge selbst bilden, wenn wir uns nur genügend in der Sonne aufhalten und ausreichender UVB-Strahlung ausgesetzt sind. Im strengen Sinn ist Vitamin D daher also gar kein echtes Vitamin für unseren Körper. Und doch funktioniert das nicht immer richtig gut. Immerhin 80-90% des Vitamins bildet dein Körper bei regelmäßigem Aufenthalt im Freien selbst und nur 10-20% nimmt er dann über deine Nahrung auf. Kann dein Körper nicht genügend Vitamin D selbst bilden, muss er auf körpereigene Speicher in deinem Fettgewebe oder in deinen Muskeln zurückgreifen oder eben mehr Vitamin D aus der Nahrung aufnehmen.
Die körpereigene Synthese von Vitamin D ist allerdings individuell sehr verschieden und abhängig von vielen verschiedenen Faktoren, z.B. der Hautfarbe, der Jahreszeit, dem Breitengrad auf dem du wohnst oder wie lange du dich der UV-Strahlung der Sonne aussetzt.
Generell lautet die Empfehlung, dass du dich - je nach Jahreszeit und Hauttyp - in den Monaten von März bis Oktober etwa 5 bis 25 Minuten in der Sonne aufhalten solltest, um ausreichend Vitamin D zu bilden. Gesicht, Arme und Hände sollten dabei möglichst unbedeckt bleiben.
Lebertran aus fettem Seefisch galt früher als wichtigste Quelle für Vitamin D. Fälschlicherweise nahm man damals an, dass die Fische Vitamin D selbst synthetisieren können. Heute geht man davon aus, dass der Gehalt an Vitamin D ursächlich im Planktonverzehr durch die Fische begründet liegt.
Experten zählen Vitamin D daher zu den kritischen Vitaminen. Insgesamt schöpfen gemäß Angaben der DGE etwa 60% der Bevölkerung das schützende Potential von Vitamin D für ihre Knochengesundheit nicht voll aus.
Vitamin D in neuem Licht: Neue und oft noch unverstandene Funktionen
Dass Vitamin D für einen gesunden Knochenstoffwechsel wichtig ist, weisst Du vielleicht schon.
Aber wie genau funktioniert das eigentlich?
Über verschiedene Mechanismen reguliert Vitamin D das Kalzium-Gleichgewicht in deinem Körper: Zum einen steuert es die Kalzium-Aufnahme aus dem Dünndarm, zum anderen den Einbau von Kalzium in die Knochen. Die Wiederaufnahme von Kalzium in die Nieren erfolgt ebenfalls über Vitamin D. Die Nebenschilddrüse misst die aktuelle Kalziumkonzentration in deinem Blut und reguliert sie über einen Rückkopplungsmechanismus. Mediziner nennen Knochen, Dünndarm, Niere und Nebenschilddrüse daher klassische Zielorgane von Vitamin D.
Zu den damit typischerweise zusammenhängenden Vitamin D-Mangelerscheinungen gehören daher ein Kalziummangel infolge einer gestörten Resorption im Darm. Dieser Mangel äußert sich bei Kindern in Wachstumsstörungen und Knochenverformungen, der sogenannten Rachitis. Bei Erwachsenen kommt es zu einer ungenügenden Verkalkung der Knochen und osteoporotischen Veränderungen mit einem erhöhten Risiko für Knochenbrüche.
Um genau zu sein, handelt es sich beim fettlöslichen Vitamin D gar nicht um eine einzelne Verbindung, sondern um eine ganze Familie unterschiedlicher, aber sehr ähnlicher Verbindungen. Am wichtigsten unter ihnen ist das Vitamin D3, auch Cholecalciferiol, Calciol oder Calicitrol genannt. Dem Vitamin D3 sehr ähnlich und ebenfalls biologisch wirksam ist Vitamin D2, auch Ergocalciferol genannt. Andere Verbindungen wie die unwirksamen Vitamine D1 oder D4 sind deren Reaktionsprodukte oder ihre Vorläuferprodukte - wie z.B. das in Pflanzen vorkommende Ergosterol, das daher auch Provitamin D2 genannt wird. Sie alle werden der Einfachheit halber dem Vitamin D als eine ganze Stoffgruppe zugeordnet.
Zu den neuen oder auch nicht-klassischen Zielorganen von Vitamin D gehören u.a. die Haut, Muskelzellen, die Bauchspeicheldrüse und das Immunsystem. Vitamin D scheint dabei nicht nur einen Einfluss auf die Freisetzung von Kalzium, z.B. aus Muskelzellen, zu nehmen, sondern vielmehr auch auf ihre Funktion, ihr Wachstum und ihre Reifung. Wie genau diese Regelkreise im Einzelnen funktionieren, ist bis heute oft noch unverstanden und Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Studien.
Licht und Schatten - wie Vitamin D und deine Verdauung zusammenhängen
Vitamin D und dein Darm scheinen aber nicht allein durch die Aufgabe der Kalziumresorption aus der Nahrung miteinander verbunden zu sein. Längst werden Vitamin D viele weitere Funktionen zugeschrieben, die einen erheblichen Einfluss auf deine Darmgesundheit haben.
Als Botenstoff veranlasst Vitamin D deine Darmschleimhautzellen zur Produktion sogenannter Tight Junctions, durch die die Zellen wie Druckknöpfe fest miteinander verbunden werden und so eine Schutzbarriere gegenüber Mikroorganismen und Giftstoffen bilden.
Über Vitamin D vermittelte Signalkaskaden in deinem darmassoziierten Immunsystem werden zudem Entzündungsreaktionen gesteuert, antimikrobielle Peptide abgegeben und Immunzellen rekrutiert. In einer aktuellen Übersichtsarbeit werden diese Zusammenhänge bestätigt. So werden sehr häufig niedrige Vitamin-D-Serumspiegel bei Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen nachgewiesen.
Sind diese Signalwege gestört, kann dein Darm durchlässig werden (sogenanntes Leaky Gut Syndrom), Entzündungen können überschießen und deine Darmflora, heute meist Darmmikrobiota genannt, gerät empfindlich in Schieflage.
Dein Darmassoziiertes Immunsystem, aus dem Englischen oft auch als GALT (Gut Associated Lymphatic Tissue) abgekürzt, ist nicht nur das größte Immunorgan deines Körpers, es ist auch verantwortlich, um überschießende Immunreaktionen gegen harmlose Substanzen zu verhindern. Entzündliche Erkrankungen wie Zöliakie, Morbus Crohn aber auch die atypische Dermatitis hängen möglicherweise mit einer Störung des GALT zusammen.
In Deutschland leiden etwa 3% der Bevölkerung unter chronischer Obstipation, also Verstopfung, wobei Frauen deutlich häufiger betroffen sind. Mediziner unterscheiden sehr unter-schiedliche Formen von Verstopfung: Bei einer primären, funktionellen Verstopfung gelangt der Nahrungsbrei entweder zu langsam durch den Darm (sogenannte Slow Transit Obstipation) oder aber in einem ganz normalen Tempo (Normal Transit Obstipation). Im letzten Fall kann z.B. ein Reizdarmsyndrom dahinterstecken. Bei Enddarmproblemen können Verkramp-fungen der Schließmuskel, eine Beckenbodenschwäche oder Entzündungen ursächlich hinter den Beschwerden stecken. Verstopfungen können zudem auch eine Nebenwirkung verschiedener Arzneimittel sein.
Gerät das feine Gefüge deiner Mikrobiota im Darm aus dem Gleichgewicht, so kann dies weitreichende Folgen haben. Als würde die gemeinsame Sprache im Darm verloren gehen, bricht die Kommunikation zwischen deinen Schleimhaut-, Immun- und Nervenzellen sowie deinen Darmbakterien zusammen. Abstimmungsschwierigkeiten und Missverständnisse mit gestörten Darmbewegungen, Verkrampfungen der Darmmuskulatur, Schmerzen, Blähungen und Verstopfung sind dann an der Tagesordnung.
Wohl nicht zu Unrecht wird ein Vitamin D-Mangel in Studien daher mit entzündlichen oder funktionellen Darmerkrankungen wie dem Reizdarmsyndrom in Verbindung gebracht.
In einer aktuellen klinischen Studie von Panarese und Kollegen wurden 86 Patienten mit chronischer Obstipation hinsichtlich verschiedener klinischer Parameter un-tersucht, darunter auch der Vitamin D-Serumspiegel. Den Autoren zufolge ist die Datenlage im Zusammenhang mit Verstopfung so eindeutig, dass die Autoren empfehlen, bei Patienten mit entsprechenden Problemen standardmäßig den Vitamin D-Spiegel im Blut zu untersuchen.
Ab nach draußen - wie du einem Vitamin D Mangel wirksam vorbeugen kannst
Um die Vitamin D Produktion deines Körpers anzukurbeln und deine Speicher für die dunkleren Monate aufzufüllen, solltest du daher regelmäßig nach draußen in die Sonne gehen. Schon wenige Minuten am Tag sind in den meisten Fällen vollkommen ausreichend.
Angst vor einem Sonnenbrand brauchst du dabei übrigens nicht zu haben, da es gar nicht notwendig ist, in die pralle Sonne zu gehen. Denn die Hälfte der Zeit, die üblicherweise zu einem Sonnenbrand führen würde, reicht deinem Körper aus, um ausreichend Vitamin D zu bilden.
Die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln oder Vitamin D-Arzneimitteln ist dann sinn-voll, wenn eine ausreichende Versorgung weder durch die Eigensynthese deines Körpers noch durch deine Ernährung erfolgen kann.
Aber Achtung: Viel hilft viel ist bei Vitamin D keine gute Idee!
Dein Körper scheidet zu viel Vitamin D nicht einfach wieder aus, sondern speichert es in dei-nem Fett- und Muskelgewebe. Daher sind bei einer sehr hohen täglichen Zufuhr von Vitamin Überdosierungen möglich. Dann kann es in deinem Körper zu einem erhöhten Kalziumspiegel und Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen kommen. Gemäß der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sind derartige Überdosierungen bei Erwachsenen jedoch erst bei einer täglichen Zufuhr von über 100 Mikrogramm (oder 4000 IE) und bei Kindern von über 50 Mikrogramm (oder 2000 IE) zu erwarten.
Zusammenhang zwischen Vitamin D und Verstopfung
Vitamin D, das der Körper bei ausreichender UVB Bestrahlung selbst synthetisieren kann, gilt als zentrales Vitamin für einen gesunden Knochenstoffwechsel. Mangelerscheinungen wer-den bei Kindern meist mit deformierten Knochen und bei Erwachsenen mit Osteoporose und einem erhöhten Risiko für Knochenbrüche in Verbindung gebracht.
Viel weniger bekannt sind hingegen die Funktionen von Vitamin D im Zusammenhang mit dem körpereigenen Immunsystem, wie z.B. der Regulation von Entzündungsreaktionen oder der Rekrutierung von Immunzellen. Aus dem Gleichgewicht geratene Vitamin D vermittelte Immun-Signalkaskaden stehen gerade bei einem Mangel im Verdacht, an entzündlichen Darmerkrankungen oder an chronischen Verstopfungen beteiligt zu sein. Sich gerade in den hellen Monaten für wenige Minuten ohne Sonnenschutz der Sonne auszusetzen sind daher als Präventionsmaßnahme nicht nur gut für deine Knochen, sondern auch für deine Darmgesundheit.
Aber Vorsicht: Während zu wenig Sonne zu Verstopfung führen kann, kann auch zu viel davon deine Verdauung beeinträchtigen. Mehr dazu in unserem Artikel Durchfall bei Hitze.
Quellen und weiterführende Literatur
Biesalski HK. Vitamine, Spurenelemente und Minerale: Indikation, Diagnostik, Therapie. Thieme-Verlag, 2019. ISBN 978-3132427358.
Fletcher J et al. The Role of Vitamin D in Inflammatory Bowel Disease: Mechanism to Man-agement. Nutrients. 2019; 11(5):1019. Den Link zum englischsprachigen Originalartikel fin-dest du hier.
Panarese A et al. Chronic Functional Constipation Is Strongly Linked to Vitamin D Deficiency. World J Gastroenterol. 2019, 25 (14), 1729-1740. Den Link zum englischsprachigen Original-artikel findest du hhttp://%20https//www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6465937/pdf/WJG-25-1729.pdfier.
Das Robert Koch Institut (RKI) beantwortet dir hier häufige Fragen zu Vitamin D.
Quellen:
Medizinisch geprüft durch
Dr. rer. nat. Dinah Murad
Dr. Dinah Murad fungiert als unabhängige medizinische Beraterin an der Schnittstelle von Wissenschaft und Marketing. Darmgesundheit ist für sie ein unterschätztes, aber überaus wichtiges Thema. Sie verantwortet die medizinische Prüfung aller Inhalte für unsere Leser.
Geschrieben von
Dr. Silke Nahde
Dr. Silke Nahde ist promovierte Mikrobiologin, war als Fachreferentin Zentrales Nervensystem beim Arzneimittelhersteller AstraZeneca tätig und leitete interne sowie externe medizinische Trainings für das Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline Consumer Healthcare. Sie unterstützt Digestio seit dem Launch als Stammautorin.
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