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Den Begriff „Autophagie“ haben viele Menschen das erste Mal im Zusammenhang mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin gehört, wo der Japaner Yoshinori Ohsumi im Jahr 2016 für seine Forschung über Autophagie geehrt wurde. Dennoch können die meisten nichts mit dem Wort anfangen. Klingeln tut es erst, wenn für den Laien verständlich von einem „Selbstreinigungsprozess des Körpers“ oder der „Müllabfuhr in den Zellen“ gesprochen wird, denn darunter können die meisten sich zumindest grob etwas vorstellen. Doch warum sind Autophagie-Mechanismen so wichtig und was bewirkt sie eigentlich im menschlichen Körper? Lies weiter, um zu erfahren, welche gesundheitlichen Effekte die Autophagozytose, wie Autophagie auch genannt wird, hat.

In diesem Artikel erfährst du:

  • Was Autophagie ist
  • Warum Autophagie für den menschlichen Körper wichtig ist
  • Wieso im Zusammenhang mit Autophagie oft der Begriff Selbstreinigungsprozess fällt
  • Wie Fasten und Autophagie zusammenhängen
  • Was die Forschung zum Thema Autophagie sagt

Was ist Autophagie?

Die Zellen des menschlichen Körpers sind permanent mit Stoffwechselvorgängen beschäftigt – ganz egal, ob wir gerade wach sind oder schlafen. Dabei entsteht im Körper Abfall, wie beispielsweise schadhafte Proteine, falsch gefaltetes Eiweiß oder Lipide. Die Autophagie sorgt dafür, dass unsere Körperzellen sich selbst reinigen und Membranbestandteile, Eiweißansammlungen und ausgediente Mitochondrien einer Art Recyclingprozess unterzogen werden.

Um den menschlichen Körper also leistungsfähig und gesund zu halten, „frisst der Körper die Zellen“ bei der Autophagie selbst auf. Dabei werden Bakterien und Viren entsorgt, Zellschädigungen können repariert werden und die Zellen werden mit Energie versorgt, die sie verwerten können, um neue Teile zu erschaffen. Es findet also eine Art Selbstverdauung der Zellen statt.

Mit Hilfe der Autophagie wird also nicht nur das Überleben von Zellen sichergestellt, es werden im gleichen Zug auch Zellen, die bereits eine Schädigung erlitten haben, entsorgt. Das stellt sicher, dass unser Organismus, der aus vielen verschiedenen Zellen besteht, überlebt. Die sogenannte zelluläre Homöostase sorgt dafür, dass sowohl alte als auch neue Komponenten einer Zelle im Gleichgewicht bleiben. Somit ist die Autophagozytose ein wichtiger Zellerneuerungsprozess in unserem Körper.

Auch wenn Yoshinori Ohsumi im Jahr 2016 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für seine Forschung über die Autophagie erhalten hat, wurde das Phänomen bereits im Jahr 1962 zum ersten Mal beschrieben – und zwar von dem kanadischen Zellbiologen Keith R. Porter und seinem Studenten Thomas Ashford. Der Begriff der Autophagie wurde allerdings erst ein Jahr später von dem Belgier Christian de Duve geprägt. Übersetzt bedeutet der Begriff so viel wie „sich selbst essen“.

Doch was bewirkt Autophagie eigentlich genau, warum ist sie lebensnotwendig und welche Rolle spielt Autophagie für unsere Gesundheit? Um das zu verstehen, muss man einen Blick auf die Vorgänge werfen, die sich im Inneren unserer Körperzellen abspielen. Dort werden beispielsweise schädigende Stoffe, die beim Stoffwechsel entstehen, nicht benötigte Eiweiße und alte Zellorganellen entsorgt.

Als Organellen werden die „Orgänchen“,  einer Zelle bezeichnet. Es handelt sich um strukturell gut abgrenzbare Bereiche innerhalb einer Zelle mit einer besonderen Funktion. Jeder Organelle kommt eine bestimmte Aufgabe zu – ähnlich wie beispielsweise unser Magen-Darm-Trakt für unsere Verdauung zuständig ist oder unser Herz dafür, unseren Körper mit nährstoff- und sauerstoffreichem Blut zu versorgen. Während also eine Organelle Wasser speichert, liefert eine andere Zellorganelle der Zelle Energie und andere sorgen dafür, dass die einzelnen Zellen sich vermehren können. Organellen unterliegen wie auch der Rest unseres Körpers einem Alterungsprozess. Das kann dazu führen, dass sie ihrer Funktion nicht mehr richtig nachgehen können und die Zelle belasten.

Die Autophagie stellt dabei sicher, dass eine zelluläre Wiederverwertung stattfindet. Der Müll wird nicht einfach ausgeschieden, sondern von den Zellen selbst verdaut. Aus diesem Grund fällt im Zuge der Autophagie auch häufig der Begriff „Recyclingprogramm“ oder „Selbstreinigungsprozess“. Der Körper kann Proteine abbauen und die Eiweiße sowie Organellen in chemische Bausteine zerlegen, aus denen die Zellen neue Stoffe bilden können, die sie für die Zellerneuerung und die Aufrechterhaltung ihrer Funktion benötigen.

Eine tragende Rolle spielen dabei die sogenannten Autophagosomen. Dabei handelt es sich um Zellorganellen, die im Zuge der Autophagie entstehen. Zelluläres Material wie beispielsweise fehlgeleitete Proteine verschmelzen mit Lysosomen, die als Transporteure für zum Abbau benötigte Enzyme fungieren, wodurch schlussendlich Autophagosomen gebildet werden.

Die Wissenschaft fängt gerade erst damit an, zu verstehen, welche Bedeutung die Autophagozytose für den menschlichen Körper hat. Klar ist jedoch, dass eine fehlregulierte oder vermindere autophagische Aktivität zu Erkrankungen führen kann.

Dazu zählen vor allen Dingen die folgenden Erkrankungen:

  • Krebs aufgrund von fehlender Tumorsuppression, fehlender Vernichtung von geschädigten Organzellen oder eines fehlregulierten Zelltods
  • Neurodegenerative Erkrankungen wie beispielsweise Demenz aufgrund eines gestörten Intrazellulären Proteinabbaus
  • Funktionelle Leberinsuffizienz
  • Muskelerkrankungen
  • Infektionserkrankungen aufgrund einer gestörten Immunabwehr durch fehlende Vernichtung intrazellulärer Erreger

Insbesondere in der Krebsforschung sehen Wissenschaftler die Autophagie als bedeutsames Thema an und setzen ihre Hoffnung in die Autophagie-Hemmung als Krebstherapie. Besonders im Hinblick auf die Tumorgenese spielt die Autophagie eine bedeutende Rolle, denn sie gilt als tumorsuppressives Prinzip im Körper. Die Entwicklung von Tumoren war verknüpft mit der Fähigkeit von Zellen, einen Selbstreinigungsprozess durchzuführen. Experimente an Mäusen mit Autophagie-Defizit zeigten, dass diese vermehrt spontan Tumoren entwickelten. Derzeit erforschen Wissenschaftler in erster Linie, wie sich die Prozesse der Autophagie nutzen lassen, um Therapieresistenzen bei der Krebstherapie zu überwinden und die Therapiemöglichkeiten auf diese Weise zu verbessern.

Frau mit Kittel im Labor füllt eine Flüssigkeit mit Pipette in ein Gefäß.

Autophagie könnte in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Krebstherapie einnehmen.

Vor allem in einer Umgebung, wo Tumorzellen aufgrund von widrigen Umständen unter Stress stehen oder eine verminderte Nährstoffzufuhr stattfindet, gilt die Autophagie als hilfreich. In diesem Zusammenhang fällt häufiger der Begriff des „programmed survival“, auf Deutsch so viel wie „programmiertes Überleben“. Wenn sich bestimmte Zellbestandteile abbauen und geschädigte Organellen aus dem Zytoplasma entfernt werden, stehen Basiskomponenten für neue Moleküle dank Autophagie wieder bereit. Krebszellen werden auf diese Art sogar vor aggressiven Behandlungen geschützt. Diese Erkenntnisse sind für die Krebsforschung von besonderer Bedeutung, denn Substanzen, die eine Autophagie-Hemmung verursachen oder die Autophagie sogar komplett unterbinden, könnten sich in der Krebstherapie als besonders hilfreich erweisen.

Tatsächlich kannst du Autophagie in gewissem Maße selbst aktivieren und deinen Körper dabei unterstützen, eine Zellerneuerung durchzuführen. Sport und Bewegung zum Beispiel wirken sich unterstützend auf die Autophagie aus. Daneben wird die Autophagie in Extremsituationen aktiviert. Das ist beispielsweise bei schwerwiegenden Zellschädigungen der Fall.

Autophagie: Wann setzt sie ein?

Liest man sich in das Thema Autophagie ein, taucht insbesondere der Begriff des Fastens immer häufiger auf. Zwar ist die Autophagie ständig aktiv in unserem Körper, aber es wird davon ausgegangen, dass der Prozess durch längere Fastendauer von etwa 11-12 Stunden hochgefahren wird. Deshalb setzen viele Menschen auf Fastenkuren wie das regelmäßige Heilfasten oder Kurzzeitfasten oder essen „nach der Uhr“ wie beim Intervallfasten. Daneben wird die Autophagozytose durch regelmäßige Bewegung gefördert.

Frau mit lila T-Shirt und schwarzer Leggings joggt entlang eines Gewässers.

Regelmäßige Bewegung kann den Prozess der Autophagie fördern.

Selbstverständlich erneuern sich unsere Zellen auch weiterhin, wenn wir viel zu viel und ständig essen. Auch dabei werden alte Zellbestandteile verwertet. Wenn wir unserem Körper allerdings mehr Nahrung zuführen, als wir brauchen, entsteht mehr Gewebe. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um Fettgewebe. Zwar wird die Autophagie durch ständiges Essen folglich nicht gebremst, doch können längere Pausen zwischen den Mahlzeiten den Prozess der Autophagie vermutlich beschleunigen.

Was bringt Intervallfasten?

Hier kommt das Intervallfasten bzw. intermittierendes Fasten ins Spiel. Doch Achtung: Auch Intervallfasten ist wissenschaftlich nicht unumstritten. Insbesondere wenn es um das Thema Abnehmen mit Intervallfasten geht, ist die wissenschaftliche Grundlage bislang eher dünn. Fasten und eine Diät sind zwei Paar Schuhe, die nicht miteinander in einen Topf geworfen werden sollten Bevor du also mit dem Intervallfasten beginnst, um deinem Körper etwas Gutes zu tun, solltest du dich von einem Arzt beraten lassen, ob diese Form der Ernährung für dich geeignet ist. Fasten sollte man niemals auf eigene Faust und ohne die Einschätzung, Beratung und im Fall von längeren Fastenzeiten von mehreren Tagen bis Wochen auch nie ohne Betreuung eines Arztes!

Teller mit einem Steak, frischem Salat und Tomaten.

Lasse dich vor dem Intervallfasten von einem Arzt beraten, ob diese Methode für dich unbedenklich ist.

Was passiert eigentlich beim Fasten? Und wie lange sollte man fasten, um die Autophagie zu fördern? Zunächst solltest du wissen, dass die Umstellung deines Organismus sich beim Fasten in Etappen abspielt. Es erfolgt eine langsame Umstellung auf die „Ernährung von Innen“, bei denen die für den Stoffwechsel notwendigen Substanzen aus dem Körper selbst und nicht aus der aufgenommenen Nahrung gezogen werden. Diesen Vorgang nennt man Katabolismus. Beim Anabolismus hingegen wird Fett- oder Muskelgewebe aufgebaut. Hältst du dein Gewicht, sind die Mechanismen üblicherweise im Gleichgewicht.

In Folge der eingeschränkten Energiezufuhr stellt der Körper seinen Stoffwechsel um. Die für die Körperfunktionen nötige Energie wird nun aus Proteinen aus deiner Muskulatur, Kohlenhydraten in Form von körpereigenem Glykogen und Fetten aus dem Unterhautfettgewebe gezogen. Bei längeren Fastenperioden sind diese Effekte allerdings stärker als beim Intervallfasten, auf das im Zusammenhang mit der Autophagie ein besonderes Augenmerk gelegt wird.

Zum aktuellen Zeitpunkt wird zum Thema Autophagie und Intervallfasten eine Studie an der Universität Graz durchgeführt. Prof. Frank Madeo studiert in der sogenannten Inter-Fast-Studie an 90 Teilnehmenden die potenzielle Wirkung des Fastens auf den menschlichen Körper sowie die damit zusammenhängenden physiologischen und molekularen Veränderungen. Der Wissenschaftler geht davon aus, dass mit Hilfe des Intervallfastens DNA-Mutationen, defekte Enzyme sowie Zellschäden vernichtet werden, weil die Autophagie als eigenständiger Abbauprozess der Zellen den Gesundheitszustand erhält.

Übrigens: In Zusammenhang mit der Autophagie wird häufig auch von Selbstreinigung oder einer „Reinigung von Innen“ gesprochen. Autophagie ist allerdings kein Detox, bei dem es um eine Entschlackung der Zellen geht. Der menschliche Körper führt die Autophagozytose nicht durch, weil er sich verjüngen oder entstressen will. Vielmehr handelt es sich bei der Autophagie um einen ganz normalen Prozess, der Teil des ständigen chemisch-biologischen Abbaus in unserem Körper ist, bei dem Zellen permanent erneuert werden. Für den Neuaufbau der Zellen werden Bestandteile der alten Zellen verwertet und umgebaut. Das perfekte Recycling-System also! Der Abbau der alten Zellen ist folglich das Ergebnis der Autophagozytose und hat nichts mit Detox zu tun – für die Entgiftung sind nämlich in erster Linie die Aufgabe von Nieren und Leber.

Was ist Autophagie?

Zellen fressen sich selbst von innen auf und bekommen dadurch Energie und Bausteine, um neue Teile zu schaffen. Der Mechanismus hält neue und alte Zellteile im Gleichgewicht, eine überlebenswichtige Funktion für den menschlichen Körper. Zwar findet dieser Prozess ständig statt, kann aber durch längeres Aussetzen von Nahrungsaufnahme, z.B. Intervallfasten, verstärkt werden.

Medizinisch geprüft durch
Dr. rer. nat. Dinah Murad 

Dr. Dinah Murad fungiert als unabhängige medizinische Beraterin an der Schnittstelle von Wissenschaft und Marketing. Darmgesundheit ist für sie ein unterschätztes, aber überaus wichtiges Thema. Sie verantwortet die medizinische Prüfung aller Inhalte für unsere Leser.

Geschrieben von
Digestio Community Team  

Unser Digestio Community Team ist ein Netzwerk aus medizinischen RedakteurInnen, die unsere Inhalte durch wissenschaftlich fundierte Recherche sowie eigene Erfahrungsberichte unterstützen.

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