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Bestimmt kennst du auch das Sprichwort „jemandem auf die Nerven gehen“? Warum wir das Wort Nerven dafür benutzen, wenn uns etwas lästig ist, wird schnell klar, wenn du dir deinen Vagusnerv genauer anschaust. Er ist der wichtigste deiner Hirnnerven und verbindet dein Gehirn mit fast allen Organen. Wenn er nicht richtig funktioniert, spürst du das sehr schnell und das kann richtig lästig werden. Wenn du also wissen willst, warum gerade dieser Nerv so wichtig für dein Wohlbefinden ist, solltest du folgende Fakten über deinen Vagusnerv kennen.
In diesem Artikel erfährst du,
- was der Vagusnerv ist,
- welche Rolle der Vagusnerv für deinen Körper spielt,
- was dein Vagusnerv mit deinem Herzen zu tun hat,
- welche Rolle der Vagusnerv für medizinische Therapien spielt und
- welche Übungen deinen Vagusnerv aktivieren können.
Anatomische Fakten zum Vagusnerv (Nervus vagus)
Der Vagusnerv, auch Nervus vagus genannt, ist der zehnte und längste unserer zwölf Hirnnerven. Im Gegensatz zu den anderen 11 Hirnnerven ist er nicht hauptsächlich für die Versorgung deines Kopfbereiches verantwortlich, sondern verbindet fast alle Organe mit deinem Gehirn. Dadurch beeinflusst er zum Beispiel deine Entspannung, deine Herzfrequenz, deine Atmung oder deine Verdauung.
1. Der Vagusnerv - die Datenautobahn deines Körpers
Dein Vagusnerv entspringt deinem Gehirn im verlängerten Rückenmark und tritt aus einem kleinen Loch in deinem Schädel ins Rückenmark. Von da aus verläuft er entlang deines Halses Richtung Brust, wo er sich in den linken und den rechten Nerv verzweigt – streng genommen hast du daher sogar zwei Vagusnerven.
Im Brustraum liegt er in der Nähe deines Herzens und der Lunge, wandert durch das Zwerchfell in deinen Bauchraum, wo seine Endstation liegt. Dieser Endpunkt wird als „Cannon-Böhm-Punkt“ bezeichnet und liegt in deinem mittleren Dickdarm-bereich.
Auf seinem Weg von Kopf bis Bauch versorgt der Nervus Vagus seine Zielorgane durch kleine Nervenverästelungen. Diese 100.000 Nervenfasern leiten Informationen vom Gehirn in deine Organe und auch umgekehrt von deinen Körperteilen zurück in dein Gehirn. Ohne diese Datenautobahn würde die Steuerung vieler deiner Körperabläufe nicht funktionieren.
2. Immer schön gelassen bleiben! Dein Vagusnerv als Ruhestifter.
Wie kommt es eigentlich dazu, dass du bestimmte Abläufe wie deine Verdauung, deine Atmung oder deinen Herzschlag in deinem Körper nicht bewusst kontrollieren kannst? Das liegt an deinem vegetativen Nervensystem. Es besteht aus dem Sympathikus, der immer aktiv ist, wenn du Höchstleistungen bringen musst und daher auch als Flucht- oder Kampfnerv bezeichnet wird. Der andere Teil deines vegetativen Nervensystems heißt Parasympathikus und ist der Gegenspieler des Sympathikus. Er wird daher auch als Erholungsnerv bezeichnet. Dein Vagusnerv ist Teil dieses parasympathischen Systems und ist hauptverantwortlich für die Regeneration deines Körpers.
Wie wichtig dein Vagusnerv für die Funktion deines Herzens ist, zeigt das Beispiel des sogenannten reflektorischen Herzstillstandes. Bei extremer Reizung deines Vagusnervs zum Beispiel durch das Eintauchen deines Körpers in sehr kaltes Wasser (< 4 Grad Celsius) oder dem Verschlucken von Gegenständen (Bolustod) kann es zu einem Herzstillstand kommen. Dein parasympathisches System fährt dabei die Aktivität deines Herzens über deinen Vagusnerv soweit herunter, dass es nicht mehr arbeitet.
3. Mit Herz und Hirn – dein Vagusnerv als Vermittler
Dein Herz unterliegt einer komplizierten und ausgeklügelten Regulation. Dies passiert durch dein das Herz umgebende, vegetative Nervensystem. Neurokardiologen sprechen auch von dem „Herzgehirn“, welches mit deinem Kopfgehirn in Verbindung steht.
An diesen Verbindungen ist dein Vagusnerv maßgeblich beteiligt. Er hat die Aufgabe, deinen Herzschlag zu beruhigen. Das passiert ausschließlich durch einen Nervenknoten am rechten Vorhof deines Herzens, der für die Herzfrequenz zuständig ist. Der Vagusnerv reguliert über die Ausschüttung des Botenstoffes Acetylcholin deine Herzfrequenz, also deinen Puls, und verlangsamt ihn.
Die Redewendung „da ist mir vor Schreck das Herz stehen geblieben“ oder „da ist mir das Herz aufgegangen“ kommt also nicht von Ungefähr: Die Botschaften von Stress oder Glück werden von deinem Gehirn über den Vagusnerv auch an dein Herz weitergegeben.
Das gebrochene Herz!
Das gebrochene Herz existiert nicht nur sprichwörtlich, sondern ist in der Medizin als „Broken Heart Syndrom“ bekannt. Wenn Beschwerden wie Brustschmerzen, Atemnot und Blutdruckabfall auftreten, denken Ärzte erst einmal an einen Herzinfarkt. 1990 wurde aber erstmals in Japan das Syndrom des „gebrochenen Herzens“ beschrieben, welches Herzinfarktsymptome ohne Infarkt kennzeichnet und auch als Stress-Kardiomyopathie bezeichnet wird. Ausgelöst wird das Syndrom vermutlich durch eine Überflutung von Herz und Kreislauf mit den Botenstoffen Adrenalin und Noradrenalin.
4. Was dein Vagusnerv mit einer Ohnmacht zu tun hat
Dein Herz ist also eng über deinen Vagusnerv mit deinem Gehirn verbunden. Das ist auch der Grund, warum du ohnmächtig werden kannst. Denn bei einer Ohnmacht, auch als Synkope bezeichnet, reagiert dein Vagusnerv auf bestimmte Reize.
Wenn Angst, Stress, drangvolle Enge oder langes Stehen deinem Körper zu viel werden, reagiert dein Vagusnerv und übernimmt die Oberhand über den Sympathikus. Dieser sogenannte vasovagale Reflex wirkt auf deine Blutgefäße ein, indem diese entspannen. Das wiederum sorgt für einen Abfall deines Blutdrucks, der zu einer kurzfristigen Unterversorgung deines Gehirns mit Blut führt. Du wirst ohnmächtig.
5. Der Vagusnerv weiß, warum du auf deinen Bauch hören solltest!
Wenn du jemand bist, der auf sein Bauchgefühl hört, hat das einen sehr guten Grund. Denn dein Bauch oder besser dein Magen-Darm-Trakt ist eng mit deinem Gehirn verbunden. Damit dieser Austausch funktionieren kann, leitet dein Vagusnerv die Informationen aus deinem Bauch in dein Gehirn weiter und umgekehrt.
Neben diesen emotionalen Signalen ist der Vagusnerv aber auch für deine Verdauung notwendig. Denn Muskeln in Magen und Darm müssen sich koordiniert bewegen, damit deine Verdauungsorgane deine Nahrung richtig verdauen können.
Diese Bewegungen, auch als Motilität bezeichnet, werden durch den Vagusnerv vermittelt. Er ist wie ein „Hauptstromkabel“ für deine Verdauung.
Ein weiterer Mitspieler bei der Kommunikation zwischen Bauch und Kopf ist natürlich deine Darm-Mikrobiota: Die Milliarden von kleinen Mikroorganismen in deinen Darm haben nämlich ein gehöriges Wort mitzureden, wenn es um die Regulierung von Verdauung und Emotionen geht. Über Botenstoffe wie Serotonin beeinflussen sie deine Emotionen und zudem verarbeiten sie Nahrung, die du sonst gar nicht verwerten könntest.
Die Bedeutung deines Vagusnervs für die Medizin
Nachdem du nun weißt, wie wichtig dein Vagusnerv für deine Gesundheit ist, sollte es dich nicht wundern, dass dieser Hirnnerv ins Interesse von Ärzten und Wissenschaftler gerückt ist. Methoden wie Aktivierung, Beruhigung und invasive Stimulation dieses Hirnnervs stehen im Mittelpunkt medizinischer Therapien.
Wenn du wissen möchtest, wie der Vagusnerv therapiert werden kann, lies einfach folgende Fakten:
6. Übeltäter Vagusnerv
Wenn dir ohne erkennbaren Grund regelmäßig übel ist, kann das auch einen psychischen Hintergrund haben. Denn Stress und Belastungen schlagen uns auf den Magen. Der Vagusnerv kann hier eine zentrale Rolle spielen, denn er leitet Informationen vom Gehirn in deinen Magen-Darm-Trakt und auch wieder zurück.
Die Stimulierung deines Vagusnervs zum Beispiel durch tiefes Ein- und Ausatmen kann dir helfen, dein parasympathisches Nervensystem wieder auszugleichen und eine dadurch verursachte Übelkeit zu lindern.
7. Hicks! Was dein Vagusnerv mit Schluckauf zu tun hat
Ein Schluckauf kann ziemlich lästig sein und einem wirklich auf die Nerven gehen. Das stimmt im wahrsten Sinne des Wortes. Denn ein Schluckauf entsteht, wenn Nerven deines Zwerchfells zum Beispiel über den Vagusnerv gereizt werden.
Reize wie:
- zu hastiges und schnelles Essen und Trinken
- viel Alkohol
- sehr heiße oder kalte Speisen oder
- psychische Einflüsse wie Stress, Aufregung und Erschrecken
können die Verkrampfung des Zwerchfells auslösen. Auch du kennst bestimmt gute Tipps, was man gegen den lästigen „Hickser“ tun kann. Meistens beruhen alle Methoden darauf, den Vagusnerv durch kontrolliertes Atmen zu beruhigen. So ist dein Parasympathikus wieder in Balance, und dein Schluckauf verschwindet nach kurzer Zeit.
8. Die Vagusnerv-Stimulation gegen Epilepsie und Depressionen
Dass die Stimulation des Vagusnervs eine therapeutische Option sein kann, wurde zuerst bei Epilepsie-Patienten beobachtet. Durch Druck auf einen bestimmten Punkt am Hals, wo der Vagusnerv oberflächlich verläuft, konnte das Auftreten epileptische Anfälle verhindert werden.
Da sich dabei auch die depressiven Verstimmungen dieser Patienten besserten, wurde die Therapie der Vagusnerv-Stimulation 2006 auch bei therapieresistenter Depression zugelassen.
Bei dieser Technik wird ein kleiner Stimulator in deine Schlüsselbeinregion implantiert, der regelmäßige Reize abgibt. Die so erzeugten Impulse stimulieren deinen Vagusnerv, der diese anschließend an dein Gehirn weitergibt und dadurch deine Emotionen positiv beeinflusst.
9. In der Ruhe liegt die Kraft – dein überschießendes Immunsystem
Ein gut funktionierendes Immunsystem ist wichtig für dich. Soweit so gut. Aber was hat das mit deinem Hirnnerv zu tun? Viel, so vermuten Wissenschaftler, denn eine Überreaktion deines Immunsystems ist laut Studien mit zahlreichen Erkrankungen wie Allergien, Asthma oder rheumatoider Arthritis verbunden. Die Regulation dieser Immunreaktionen werden dabei zum Teil über den Vagusnerv vermittelt.
Wenn du eine Infektion oder eine Verletzung hast, wandert ein Reiz entlang deines Vagusnervs in dein Gehirn. Entzündungssubstanzen wie Zytokine und der Tumor Nekrose Faktor (TNF) werden produziert. Wenn die Entzündungsreaktion aber gestoppt werden muss, geschieht dies unter anderem durch Acetylcholin, welches von deinem Vagusnerv freigesetzt wurde.
Corona, COVID19 und der Vagusnerv
Einer jüngsten Theorie zufolge könnte dein Vagusnerv möglicherweise sogar eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit der durch das neue Corona-Virus SARS-CoV-2 hervorgerufenen COVID-19-Erkrankung spielen. Möglicherweise dockt das Virus an einen Rezeptor für den Botenstoff Acetylcholin an und bringt so dein Immunsystem durcheinander, das mit einer Entzündungsreaktion reagiert. Französische Forscher prüfen derzeit, ob Nikotin möglicherweise eine therapeutische Rolle bei COVID-19 spielen kann, da es mit dem Virus um die gleichen Rezeptoren konkurriert.
10. Die Vagus-Meditation – schnelle Entspannung in deinem Alltag
Die Vagus-Meditation bietet dir eine schnelle und komplexe Möglichkeit zur Regeneration. Sie harmonisiert das vegetative Nervensystem und kann so deine Herzraten-Variabilität (HRV), also den idealerweise etwas variablen Abstand zwischen deinen einzelnen Herzschlägen, verbessern.
Diese Meditation besteht unter anderem aus Atemtechniken wie die Kehlkopfvibration, bei der Mantras durch Schnurren, Summen und Singen mit tiefem Ausatmen verbunden sind. Dadurch wird dein Vagusnerv angeregt, was bei dir zu Entspannung führt. Diese Methode ist sehr praktisch, denn du kannst sie schnell und einfach in deinen Alltag integrieren.
10 faszinierende Fakten über den Vagusnerv
Der Vagusnerv ist der zehnte Hirnnerv und verbindet dein Gehirn mit fast allen Organen in deinem Körper. Das macht ihn so besonders. Aus diesem Grund hat sich die Stimulation oder Aktivierung deines Nervus vagus als neues Gebiet der Medizin entwickelt. Die Vagusnerv-Stimulation hat sich für Erkrankungen wie Epilepsie und Depressionen etabliert. Ärzte und Wissenschaftler haben aber bereits den Zahn der Zeit erkannt und versuchen auch Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis und Burnout durch Vagusnerv-Stimulation zu behandeln. So können in Zukunft vielleicht viele Menschen von diesen neuen Therapien profitieren.
Quellen:
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Medizinisch geprüft durch
Dr. rer. nat. Dinah Murad
Dr. Dinah Murad fungiert als unabhängige medizinische Beraterin an der Schnittstelle von Wissenschaft und Marketing. Darmgesundheit ist für sie ein unterschätztes, aber überaus wichtiges Thema. Sie verantwortet die medizinische Prüfung aller Inhalte für unsere Leser.
Geschrieben von
Dr. Silke Nahde
Dr. Silke Nahde ist promovierte Mikrobiologin, war als Fachreferentin Zentrales Nervensystem beim Arzneimittelhersteller AstraZeneca tätig und leitete interne sowie externe medizinische Trainings für das Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline Consumer Healthcare. Sie unterstützt Digestio seit dem Launch als Stammautorin.
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